Die WHO veröffentlicht ihren Bericht zur Komplementärmedizin in ihren Mitgliedstaaten. Deutschland gehört zu den Schlusslichtern

Von Prof. Dr. med. Karin Kraft

Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat im Jahr 2012 eine Strategie zur Förderung und Weiterentwicklung von traditioneller und komplementärer Medizin (T&CM) aufgelegt. Sie forderte ihre 193 Mitgliedsstaaten auf, im Rahmen ihrer Möglichkeiten Schritte zu unternehmen, um traditionelle und naturheilkundliche Heilverfahren in die nationalen Gesundheitssysteme zu integrieren – und bot interessierten Staaten dazu ihre Unterstützung an, etwa bei der Aus- und Weiterbildung.

Zum Stand der traditionellen und komplementären Medizin in allen 193 Mitgliedsstaaten ist jetzt der Bericht erschienen, der online einsehbar ist. Dabei kommt Deutschland leider nicht gut weg. Es gehört im globalen und auch im europäischen Vergleich zu den Schlusslichtern. Im Gegensatz zu vielen anderen Mitgliedsstaaten, die sich stark weiterentwickelt haben: Im Jahr 2018 haben 98 Mitgliedstaaten ein nationales Programm für die Entwicklung von T&CM in ihrem Gesundheitswesen erarbeitet, das sind fast viermal so viele Staaten wie noch vor 20 Jahren. Immerhin 93 Länder verfügen über ein Expertenkomitee zum Thema, in 75 Ländern gibt es sogar ein nationales Forschungsinstitut, das sich mit traditioneller und komplementärer Medizin beschäftigt.

In Deutschland wurde die Anfrage der WHO zu einem nationalen Expertenkomitee für T&CM nicht beantwortet, die Existenz eines nationalen Programms, Ämter bzw. eines Forschungsinstituts für T&CM verneint. Auch bei den meisten anderen europäischen Ländern ist noch Luft nach oben: So hat in Europa nur jedes fünfte Land ein Regierungsprogramm zur traditionellen und komplementären Medizin aufgelegt. Zum Vergleich: In Nord- und Südamerika haben 30 Prozent aller Länder ein solches Programm, in Afrika 8o Prozent. Das ernüchternde Fazit der WHO: Zwar sei die Anzahl der europäischen Staaten, die pflanzliche Medizin systematisch erfassen und regulieren, merklich angestiegen. „Trotzdem lagen die Zahl der Indikatoren zur Förderung von T&CM, wie etwa Regierungsprogramme, Stellen oder Ämter sowie Forschungsinstitute deutlich unter dem globalen Durchschnitt.“

WHO global report on traditional and complementary medicine 2019. Geneva: World Health Organization; 2019, abrufbar unter www.who.int

Prof. Dr. med. Karin Kraft ist Inhaberin des Lehrstuhls für Naturheilkunde an der Universitätsmedizin Rostock. www.naturheilkunde.med.uni-rostock.de