Medizinethik quo vadis?
Wir dürfen nicht zulassen, dass wirtschaftlicher Druck ethische Prinzipien in Medizin und Gesundheit aufweicht.
VON DR. MED. WOLFGANG MAY
Ethische Prinzipien in der Medizin sind die Richtschnur für das berufliche Verhalten von Ärzten im Umgang mit ihren Patienten, der Behandlung von Krankheiten und der Förderung menschlicher Gesundheit. So ist aus Sicht der Medizinethik der Patient ein autonomes, selbstbestimmtes Wesen und hat daher das Recht, selbst zu entscheiden, was mit ihm geschieht. Zudem muss der Arzt schädliche Eingriffe unterlassen, stets zum Wohl des Patien-ten handeln sowie mit knappen medizinischen Ressourcen verantwortungsvoll umgehen.
Diese Prinzipien sind zunehmend von betriebswirtschaftlichen Zwängen bedroht, wie das Deutsche Ärzteblatt in der Ausgabe vom November 2017 berichtet. Das Blatt veröffentlichte die Ergebnisse der Studie „Ökonomisierung patientenbezogener Entscheidungen im Krankenhaus“. Die darin befragten Krankenhausärzte berichten, dass betriebswirtschaftliche Vorgaben ärztliche Entscheidungen direkt oder indirekt beeinflussen. Acht von 20 befragten Ärzten gaben an, Patienten operiert zu haben, obwohl keine Operation notwendig war. Eine Operation unter Narkose ist juristisch gesehen eine schwere Körperverletzung. Sofern nicht über die Behandlungsmöglichkeiten jenseits einer Operation und die Risiken aufgeklärt wurde, darf nicht operiert werden, da sonst das Selbstbestimmungsrecht des Patienten missachtet würde.
Laut einer Erhebung der WHO sterben in Deutschland etwa 43.000 Menschen pro Jahr während eines Eingriffs unter Narkose – und das bei möglicherweise unnötigen Operationen. Ich frage mich, wo hier die Moral geblieben ist? -Schwere Körperverletzungen sind Offizialdelikte. Hier muss eigentlich von Amts wegen der Staatsanwalt ermitteln.
Die Politik hat versagt
Auch im ambulanten Bereich werden häufig anstatt nebenwirkungsarmer nebenwirkungsreiche Medikamente verordnet, obwohl sie die Lebensqualität der Patienten verschlechtern. Der Grund: Sie sind verschreibungspflichtig und werden deshalb von den Krankenkassen bezahlt.
Die Politik hat hier meines Erachtens versagt. Im Jahr 1992 wurde von der damaligen Koalition aus Union und FDP eine Positiv-Medikamentenliste beschlossen. Jedoch konnte sich seitdem keine Regierung – auch nicht die sechs Jahre später angetretene rot-grüne – gegen die Pharmalobby durchsetzen. Ersatzweise wurden dann 2004 die rezeptfreien Mittel und damit fast alle nebenwirkungsarmen Heilpflanzenpräparate und homöopathischen Mittel von der Erstattung durch die Krankenkassen ausgeschlossen.
Ich finde diese Zustände unerträglich. Angeblich hat ein Brief an einen Abgeordneten das Gewicht von 10.000 Wählerstimmen. Schreiben Sie bitte diesbezüglich an Ihren Landtagsabgeordneten.
Dr. med. Wolfgang May ist Internist, Arzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin, Homöopathie und Naturheilverfahren,
www.dr-wolfgang-may.de