Unsere Augen sind heute enorm gefordert. Der hohe Anteil an Bildschirmtätigkeit, Leistungsdruck sowie verändertes Freizeitverhalten schränken das natürliche Bedürfnis der Augen nach Bewegung und Abwechslung ein: Sehen spielt sich überwiegend im Nahbereich ab. Wer etwas für seine Augengesundheit tun möchte, kann mit gezielter „Augengymnastik“ die Überlastung durch anstrengende Naharbeit ausgleichen.
Den Augen fordern wir eine immer höher werdende Sehleistung ab. Kurz abschalten, den Blick in die Ferne schweifen lassen, wie oft tun wir das heutzutage noch? Natürliche Entspannungsphasen haben nur noch wenig Platz im Alltag. Die regelmäßige Durchführung von Augenübungen ist daher empfehlenswert für alle, die – gewollt oder ungewollt – in Beruf und Freizeit viel anstrengende Naharbeit leisten. Betroffen sind fast alle Altersklassen, von der jugendlichen „Leseratte“ über junge Erwachsene im Ausbildungsstress, Bildschirmarbeiter und beruflich bedingte „Dauerleser“ bis hin zum Rentner.
Sehen ist ein sehr komplexer Prozess: Unser Auge kann man vom Aufbau her teilweise mit einer Kamera vergleichen, die eigentliche Wahrnehmung erfolgt über die Netzhaut. Diese besteht aus vielen Schichten von Nervenzellen und kleidet das Auge von innen aus wie eine Tapete. Die Netzhaut entspricht – neben ihren sonstigen Aufgaben – dem Film in der Kamera.
Der innere Augenmuskel sorgt für scharfe Sicht
Die Scharfstellung des gesehenen Objektes, das sogenannte „Zoomen“, führt ein Muskel im Augeninneren aus, der durch Anspannung und Entspannung die körpereigene Linse einstellt. Dieser Muskel wird „Ziliarmuskel“ oder „innerer Augenmuskel“ genannt. Die Augenlinse verliert ab dem 40. Lebensjahr ihre Flexibilität, ein Prozess, der dazu führt, dass die meisten ab diesem Alter eine Lesebrille benötigen (sogenannte Altersweitsichtigkeit, lat. Presbyopie).
Sieben äußere Augenmuskeln umgeben jedes Auge, sie koordinieren die Zusammenarbeit beider Augen. Ihre Arbeit ist fein aufeinander abgestimmt, abhängig von Körperhaltung und Blickrichtung. Beim Blick in die Nähe müssen diese Muskeln beide Augen nasenwärts zusammenführen, ein kraftraubender Vorgang, der je nach individueller Ausprägung bei Kindern sogar ein Schielen auslösen kann. Schweift der Blick in die Ferne, dann können diese Muskeln loslassen und entspannen.
Moderne Medien zwingen zum „starren Blick“
Sitzt man vor dem Computer, reduzieren sich die Augenbewegungen auf ein Minimum – der Blick ist starr auf den Bildschirm gerichtet. Es kommt allenfalls zu Blicksprüngen zwischen Tastatur, Vorlage und Bildschirm. Diesen „starren Blick“ findet man auch häufig bei Menschen, die viel fernsehen.
Das Auge ist aber dafür gebaut, sich auf verschiedene Entfernungen einzustellen (Akkommodation). Beim natürlichen Sehen schweift es umher, der Blick wechselt ständig in der Entfernung. Bei der Bildschirmarbeit und beim konzentrierten Lesen kommt es dagegen über lange Zeit zu extremen Nahblick-Phasen. Zusätzlich wird durch die konzentrierte Arbeit die natürliche Lidschlaghäufigkeit herabgesetzt. Die verringerte Benetzung der Augenoberfläche verstärkt Überanstrengung und Rötung der Augen.
Eine ständig beleuchtete Bildschirmoberfläche führt außerdem zu Blendungsphänomenen und kann die Netzhaut auf Dauer stark belasten. Mögliche Folgen sind Vitaminmangel und Stoffwechselprobleme in der Netzhaut. Überanstrengte, brennende, trockene oder gerötete Augen, verschwommenes Sehen, Druckgefühl der Augen, nachlassende Sehkraft, Doppelbilder und Blendungsempfindlichkeit werden häufig beklagt. Da sich die einseitige Anstrengung der Augen auch auf andere Organsysteme auswirkt, können ebenso Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen und Verspannungen im Schulter-, Nacken- und Rückenbereich die Folge sein.
Mit Augentraining gegen die ständige Überlastung
Der amerikanische Augenarzt Dr. William Bates (1860-1931) erlangte Berühmtheit durch seine Methode, mit Augenübungen die Sehleistung zu verbessern. Er war der Überzeugung, dass das ständige Tragen einer Brille die Augen zu einer Art „inneren Erstarrung“ zwingt. Als Konsequenz entwickelte er Übungen, mit denen man die Flexibilität der Augen trainieren kann. In der heutigen Zeit fördern nicht nur Brille bzw. Kontaktlinsen, sondern vor allem Bildschirmarbeit und zunehmende Naharbeit diesen Zustand der Unbeweglichkeit.
Durch einige wenige, schnell erlernbare und selbst durchgeführte Augenübungen kann man die inneren und äußeren Augenmuskeln in Anspannung und Entspannung trainieren und ihr Zusammenspiel verbessern. Gleichzeitig regen die Übungen die Durchblutung und den Stoffwechsel im Augenbereich an, unterstützen also letztlich die Vorbeugung von Alterserkrankungen der Augen. Darüber hinaus führen sie zur Entspannung, erhöhen das Konzentrationsvermögen und Verleihen dem Anwender ein belebtes und frisches Gefühl des Geistes und vor allem der gestressten Augen.
Die Übungen sollten regelmäßig durchgeführt werden. Es ist sinnvoll, sich hierfür feste „Auszeiten“, beispielsweise einige Minuten vor- und nachmittags, optimalerweise während der Arbeitszeit, zu reservieren.
Palmieren
Das Palmieren dient der Entspannung der Augenmuskulatur und der optischen Beruhigung der Netzhaut. Die Übung kann im Sitzen oder im Liegen durchgeführt werden und sollte zu Beginn und zum Ende des Augentrainings, oder bei Bedarf auch zwischen den Übungen, angewendet werden.
Zunächst reiben Sie Ihre Handflächen aneinander, bis sie angenehm warm sind, und decken mit ihnen anschließend die Augenhöhlen so vollständig ab, dass kein Licht von außen eindringen kann. Die Handflächen sollten dabei leicht gewölbt sein, damit kein Druck auf die geschlossenen Augen ausgeübt wird, die Fingerspitzen überkreuzen sich auf der Stirn. Die Ellbogen können Sie auf einem Tisch oder Ihrer Brust abstützen.
Bei angespannten Augen und nach Bildschirmarbeit werden Sie zu Beginn des Palmierens keine vollständige Dunkelheit, sondern einen unregelmäßigen Grauton, ein Flimmern oder Lichtblitze wahrnehmen. Die Übung sollten Sie mindestens so lange durchführen, bis Ihre Gedanken zur Ruhe gekommen sind, die unruhigen Seheindrücke verschwinden und Sie vollständige Dunkelheit wahrnehmen.
Trainierter Ziliarmuskel stellt besser scharf
Akkomodations-Training („Zoomen“)
Diese Übungen trainieren den inneren Augenmuskel (Ziliarmuskel). Er ist für das „Zoomen“, also die Scharfstellung des gesehenen Objektes zuständig. Je intensiver man den Ziliarmuskel trainiert, umso mehr verbessert sich das Akkommodationsvermögen.
a) Finger-Zoomen
Bei dieser Übung halten Sie einen Daumen im Abstand von circa 15 cm vor Ihren Augen, den Daumen der anderen Hand halten sie in gleicher Höhe soweit wie möglich von sich weg. Nun suchen Sie sich einen dritten Punkt in der Ferne, den sie fixieren können, beispielsweise ein Bild an der Wand oder einen noch weiter entfernteren Gegenstand.
Wechseln Sie nun mit Ihrem Blick zwischen den drei Entfernungspunkten hin und her. Anfangs ist eine bewusste Einstellung eines jeden angepeilten Punktes nötig, im fortgeschrittenen Trainingszustand gehen die Fixationen fließend ineinander über.
Seien Sie sich Ihrer Blickwechsel und Ihrer Wahrnehmung jederzeit vollständig bewusst, und achten Sie während der Übung unbedingt darauf, dass sie ruhig und gleichmäßig atmen. Wiederholen Sie einen Blickwechsel etwa 10- bis 15-mal.
b) Stufenloses Zoomen
Bei dieser Übung erfolgt kein Blickwechsel zwischen festgelegten Abständen, sondern Sie bewegen ein Schriftstück (beispielsweise eine Postkarte oder ähnliches) vor Ihren Augen in gleichmäßiger Geschwindigkeit vor und zurück.
Gleichzeitig versuchen Sie, die Schrift auf dem Objekt fortwährend scharf zu erkennen. Führen Sie dabei die Karte so nah wie möglich vor Ihre Augen, so dass die Schrift gerade unscharf wird. Dies ist ein Anreiz für das Sehsystem, die Unschärfe zu beseitigen. Wiederholen Sie die Übung etwa 10- bis 15-mal.
Die Acht gleicht Störungen im Energiesystem des Körpers aus
Die liegende Acht
Diese sehr einfache, aber wirkungsvolle Übung trainiert die Augenmuskeln und fördert die Zusammenarbeit von rechter (gefühlsgesteuerter) und linker (analytisch denkender) Gehirnhälfte. In der tibetischen Medizin gleicht man mit Hilfe dieses Symbols Störungen im Energiesystem des menschlichen Körpers aus. Nach Durchführung dieser Übung wird subjektiv häufig eine Gesichtsfelderweiterung und eine Klarheit und Frische des Geistes empfunden. Die Übung gliedert sich in 3 Schritte.
Eine wirkungsvolle Augenübung besteht im Nachfahren der liegenden Acht.
Schritt 1: Stellen Sie sich zunächst vor, ein langer Pinsel befände sich als Verlängerung auf Ihrer Nasenspitze. Mit Hilfe dieses Pinsels malen Sie nun die Form einer vor Ihnen liegenden Acht nach, dabei darf der Kopf zunächst mitbewegt werden.
Schritt 2: Im zweiten Schritt der Übung umfahren Sie die Figur nur mit den geöffneten Augen, bei stillstehendem Kopf.
Schritt 3: Im dritten Schritt führen Sie die Übung bei geschlossenen Augen und stillstehendem Kopf durch.
Bitte führen Sie in jeder Richtung jeweils zehn Durchgänge aus, gehen Sie nacheinander die Schritte eins bis drei durch.
Augen-Aerobic macht die Muskeln geschmeidig
Für den Ungeübten kann es schwierig sein, die Augen fließend und ohne Blicksprünge zu bewegen. Als vorbereitende Übung ist ein für mehrere Sekunden gehaltenes Blicken in die acht Hauptrichtungen (oben, oben rechts, rechts, unten rechts, unten, unten links, links, oben links), auch „Augen-Aerobic“ genannt, sinnvoll. Dabei sollten Sie so weit wie möglich in die beschriebenen Blickrichtungen schauen, ohne größere Anstrengung.
Trotz der überschaubar wirkenden Anzahl der Übungen kann sich anfangs Muskelkater einstellen oder ein Gefühl der Müdigkeit der Augen. In diesen Fällen ist es sinnvoll, immer wieder das Palmieren als Ruhephase zwischen den einzelnen Übungen einzuschieben.
Viel Erfolg bei der Durchführung!
Autorin:
Dr. med. Brigitte Schüler, Jahrgang 1963, Fachärztin für Augenheilkunde, seit 1997 in eigener Praxis tätig. Weiterbildung in Naturheilverfahren, Akupunktur, orthomolekularer Medizin und Elektroakupunktur. Sie hält komplementärmedizinische Vorträge für Ärzte und Laien und ist u. a. Autorin eines Ratgebers bei altersbedingter Makuladegeneration.
Entnommen aus dem „Naturarzt“ Juni 2011