Bei Ein- und Durchschlafstörungen lohnt sich ein Blick auf die gesamte Lebenssituation. Auch pflanzliche Mittel, Entspannungstechniken und eine gute Schlafhygiene helfen.
Text: Dr. med. Wolfgang May, Foto: creativ collection
Fast jeder dritte Erwachsene leidet unter Schlafstörungen. Nicht durchschlafen können, nachts keine Ruhe finden, das wird auf Dauer zur Qual. Daher erzwingen viele Menschen, die Schlafstörungen haben, den Schlaf mit Medikamenten. Aber damit tun sie ihrer Gesundheit keinen Gefallen. Schlafmittel wie Benzodiazepine mögen Schlafprobleme zwar kurzfristig lösen. Auf lange Sicht sind sie aber gefährlich. Denn sie machen abhängig – und das relativ schnell. Schon nach sieben bis vierzehn Tagen hat sich der Körper an sie gewöhnt. Zudem helfen sie bestenfalls beim Einschlafen. Die Ursache der Schlafstörung beseitigen sie nicht.
Naturheilkundliche Verfahren können helfen, in den Schlaf zu finden – und das ganz ohne Nebenwirkungen. Sie reichen von pflanzlichen Arzneimitteln bis zur Ordnungstherapie. Bevor sie zum Einsatz kommen, sollten allerdings organische oder psychiatrische Ursachen ausgeschlossen werden.
Ursachenforschung ist wichtig
Ein- und Durchschlafstörungen können verschiedene Gründe haben. Psychische Erkrankungen gehen fast immer mit Schlafproblemen einher. Bei Depressionen sind sie besonders ausgeprägt, typisch ist das frühmorgendliche Erwachen. Aber Schlafstörungen können auch als Begleitsymptome bei neurodegenerativen, Herz- und Lungen- Erkrankungen oder Schmerzzuständen auftreten. Auch eine Schilddrüsenerkrankung kann Ursache für Schlaflosigkeit und innere Unruhe sein.
Eine Reihe von Medikamenten drosseln das schlafbildende Hormon Melanin, etwa bestimmte blutdrucksenkende Mittel oder Asthmasprays (Sympathomimetika). Wer sie abends einnimmt, liegt oft nachts stundenlang wach. Antidepressiva können ebenfalls Schlafstörungen verursachen. Auch das sogenannte Restless-Legs-Syndrom, das sich durch quälende Unruhe, Kribbeln oder Ziehen in den Beinen bemerkbar macht, kann Erkrankten den Schlaf rauben. Schichtarbeiter leben ständig gegen ihre biologische Uhr, auch ein Jet Lag stört den Tag-Nacht-Rhythmus empfindlich.
Eine wesentliche Rolle für einen gesunden Schlaf spielt die Psyche. Wenn abends die Gedanken um Sorgen, Ängste und ungelöste Probleme kreisen, werden weiter Stresshormone ausgeschüttet. Der gesamte Organismus kommt nicht zur Ruhe. Auch Erschöpfungszustände, wie das chronische Belastungssyndrom gehen mit Schlafstörungen einher. Wer nicht von alleine aus seinem Problemkreis findet, sollte professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.
Tipps zur Schlafhygiene
Präparate aus Baldrian-Passionsblume und Hopfenzapfenextrakt (etwa eine Stunde vor dem Schlafengehen eingenommen) unterstützen den Schlaf. Auch die unterstützende Wirkung von Heilpflanzenpresssäften ist nicht zu unterschätzen. Hierzu zählt beispielsweise Baldrianwurzel-Presssaft (kurmäßig nachmittags ein Esslöffel). Auch Melisse, Hafer und Lavendel haben entspannende und schlaffördernde Wirkung. Man kann sie als Tee oder Tinktur zu sich nehmen oder als Badezusatz einsetzen.
Hydrotherapie
Ein warmes Fuß- oder Armbad (bei etwa) wird bei Schlafstörungen empfohlen. Abends wirkt meist ein Vollbad mit
Zusätzen wie Melisse, Baldrian, Fichtennadeln oder Lavendel beruhigend und schlaffördernd. Manche Patienten berichten davon, dass sie leichter in den Schlaf finden, wenn sie abends kalte Ganzkörperwaschungen durchführen und anschließend, ohne sich abzutrocknen ins Bett gehen. Auch Wassertreten kann bei Einschlafstörungen helfen. Dazu kurz vor der Bettruhe die Badewanne wadenhoch mit Wasser füllen und darin ein bis drei Minuten „im Storchenschritt“ gehen.
Nicht zu viel und nicht zu wenig essen
Schwerverdauliche Speisen können für eine unruhige Nacht sorgen, aber ebenso ein leerer Magen. Manche Menschen, die mehrmals in der Nacht aufwachen, haben einen zu niedrigen Blutzuckerspiegel. Eine leichte Mahlzeit etwa zwei Stunden vor dem Schlafengehen hält den Blutzuckerspiegel die kommenden sieben Stunden stabil. Ein Glas warme Milch fördert bei vielen Menschen das Einschlafen.
Von Alkohol ist abzuraten; er ebnet zwar den Weg in den Schlaf, führt aber dazu, dass Menschen in der zweiten Nachthälfte öfter aufwachen. Übermäßiger Alkoholgenuss reduziert zudem die REM-Schlafphasen, die wichtig für Konzentration, Gedächtnisleistungen und die motorischen Fähigkeiten sind. Zudem behindert er die Atmung und kann Nichtschnarcher zu Schnarchern machen.
Licht, Lärm und Elektrosmog sind Schlafkiller.
Nächtliche Geräusche gehören mit zu den häufigsten Schlafräubern. Studien haben gezeigt, dass Lärm, zum Beispiel von Flugzeugen oder Autos, nachts unterschwellig die Schlafqualität herabsetzt. Der Tiefschlafanteil verkürzt sich, die Pegel der Stresshormone Kortisol und Adrenalin bleiben erhöht. Licht spielt eine Schlüsselrolle für den Schlaf-Wach-Rhythmus. Ein gut abgedunkeltes Zimmer erleichtert vielen das Ein- und Durchschlafen. Manche Menschen reagieren empfindlich auf das Leuchtdisplay eines automatischen Weckers auf dem Nachttisch oder Geräte im Stand-by-Modus.
Wer elektrosensibel ist, sollte alle strahlenden Geräte, die sich direkt neben dem Körper befinden, ausschalten – auch WLAN-Router und Smartphone.
Akupunktur
In der Traditionellen Chinesischen Medizin kommt bei Schlafstörungen Akupunktur zum Einsatz. Der Schlaf wird unter anderem dem Herzfunktionskreis zugeordnet. Regelmäßig zur gleichen Zeit auftretende Schlafstörungen können ein Hinweis auf funktionsgestörte Organe sein.
Dr. med. Wolfgang May ist Internist, Arzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin, Homöopathie und Naturheilverfahren. www.dr-wolfang-may.de