Aus den Tropen für die Tropen – und vielleicht auch für Europa?

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Die gemeinnützige Organisation Anamed hat aus den naturmedizinischen Erkenntnissen tropischer Länder ein Gesundheitskonzept für die lokale Bevölkerung entwickelt

Von Dr. med. Wolfgang May, Foto: Anamed

Seit 1977 fordert die Weltgesundheitsorganisation WHO in zahlreichen Deklarationen die Beschäftigung mit traditioneller Medizin; die Umsetzung dieser Forderung bleibt aber noch immer die Ausnahme. Eine dieser Ausnahmen ist die „Aktion Natürliche Medizin in den Tropen“ (Anamed), eine christliche Organisation, die in der Entwicklungshilfe arbeitet. Ins Leben gerufen wurde –
sie im Jahr 1986 von dem deutschen Apotheker Dr. Hans-Martin Hirt.

Das Ziel: Mit Hilfe von heilkundigen Menschen vor Ort soll das naturheilkundliche Wissen über tropische Heilpflanzen genutzt werden, um daraus Medizin und Arzneimittel zu entwickeln. Hirts Wunsch war, dass neben der chemisch–industriell orientierten Weltgesundheitsorganisation eine biologisch-humanitäre Organisation entstehen sollte.

Heute gibt es weltweit viele Anamed-Gruppen, die das Wissen über traditionelle Heilpflanzen in Seminaren und Schulungen an die lokale Bevölkerung weitergeben. Insbesondere arme Menschen, die unter einfachsten Bedingungen leben und arbeiten und keinen Zugang zu moderner Medizin haben, profitieren davon: Sie können so Verantwortung für die eigene Gesundheit übernehmen – mithilfe der vor Ort zur Verfügung stehenden Ressourcen.

Wissen verfügbar machen

Dabei veröffentlicht Hirt alles verfügbare Wissen, um den Gesundheitszustand  jedes einzelnen zu verbessern. „Der weltweite Austausch über die „Apotheke Gottes“ macht uns stärker, solidarischer und bewusster im Kampf gegen Krankheiten“, schreibt er in seinem Buch „Natürliche Medizin in den Tropen“.

Gesundheitshelfer und Ausbilder müssen allerdings darauf hinweisen, dass diese Rezepte Mikroskope und technische Hilfsmittel nicht ersetzen können, ebenso wenig Impfungen. Auch kommt es darauf an, das Rezept genau zu befolgen. So kann das Abkochen einer Pflanze ein wunderbares Medikament sein, die Tinktur derselben aber hochgiftig! Ebenso ist auch die Herstellung und Lagerung von Arzneimitteln wichtig. Hans-Martin Hirt hat viele Heiler in Afrika besucht und ihr Pflanzenmaterial gesehen, das leider oft verschimmelt war.

Was können wir von den Ländern des Südens lernen? In ihrer ursprünglichen Form liefern uns die Naturvölker Rezepte, wie diese Erde zu bebauen und zu bewahren ist, ohne sie zu zerstören. Kein „survival training“, sondern eine „survival reality“, mit der unsere Erdkugel ohne weiteres noch ein paar Millionen Jahre existieren kann. Auch wir in Europa könnten davon profitieren.

Dr. med. Wolfgang May ist Internist, Arzt für Physikalische Medizin und Rehabilitation, Homöopathie, Naturheilverfahren. Er ist regelmäßig als Mediziner für die internationale Nothilfe humedica im Auslandseinsatz.
www.dr-wolfgang-may.de