Sicca-Syndrom ganzheitlich behandeln: Naturheilkundliche Hilfe bei trockenen Augen

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Viele Menschen leiden heutzutage unter einer Benetzungsstörung des Auges, dem Sicca-Syndrom. Im Volksmund wird diese Störung „Trockenes Auge“ genannt, obwohl es viele verschiedene Ursachen und Verlaufsformen dieser Erkrankung gibt, die voneinander unterschieden werden müssen. Traditionelle Naturheilmittel, wie z. B. Ghee, Augentrost und Schafgarbe, können die Therapie unterstützen.

Zu einer Benetzungsstörung kommt es, wenn die Zusammensetzung der Tränenflüssigkeit nicht mehr stimmt. Diese dient der Reinigung des Bindehautsacks und der Befeuchtung und Ernährung der Hornhaut. Die Tränenflüssigkeit besteht normalerweise aus drei Schichten: Fettschicht, wässrige Schicht und Schleimschicht (von außen nach innen).

Die wasserunlösliche Fettschicht wird in den Meibom-Drüsen produziert – diese sitzen an den Augenlidern – und verhindert das rasche Verdunsten der Tränenflüssigkeit. Der wässrige Anteil der Tränenflüssigkeit wird von den mandelgroßen Tränendrüsen gebildet. Diese befinden sich außen oben in den Augenhöhlen, hinter dem Oberlid. In der wässrigen Schicht sind wichtige Salze, Vitamine und Spurenelemente und mehr als 500 verschiedene Eiweißstoffe zur Ernährung des vorderen Augenabschnitts sowie zur Bakterienabwehr enthalten. Die Schleimschicht wird von Zellen in der Augenbindehaut produziert. Der Schleim ermöglicht, dass der Tränenfilm an der Hornhautoberfläche anhaftet.

Nur wenn alle Träneninhaltsstoffe in der notwendigen Menge vorhanden sind, können sich die drei Schichten des Tränenfilms richtig aufbauen. Ist dieser Aufbau gestört (Ursachen siehe Kasten „Faktoren, die den Tränenfilm stören können“), kann die Tränenflüssigkeit nicht mehr an der Augenoberfläche anhaften und verschiedene Stellen des Auges werden nicht benetzt (Benetzungsstörung). In der Folge kommt es zum Sicca-Syndrom.

Je nach Schwere der Erkrankung leidet der Betroffene an unterschiedlich stark ausgeprägten Beschwerden. Dazu zählen unter anderem:
► Augenrötung,
► Augenjucken,
► Fremdkörpergefühl bis hin zu starken Schmerzen,
► Brennen,
► Lichtempfindlichkeit,
► geschwollene Augenlider,
► stark tränende Augen,
► Sehstörungen,
► verklebte Augenlider, die im schlimmsten Fall nur unter großen Schmerzen zu öffnen sind.

Im Extremfall können die Beschwerden so stark werden, dass Patienten kaum mehr in der Lage sind, ihrem Beruf nachzugehen.

 

Differenzialdiagnose bestimmt die Therapie 

Treten die genannten oder ähnliche Symptome auf, sollte der Betroffene umgehend einen Termin mit seinem Augenarzt vereinbaren. Dieser muss herausfinden, ob der Patient am Symptomenkomplex „Trockenes Auge“ leidet oder an einer anderen Augenkrankheit. Dazu betrachtet er mit der Spaltlampe Veränderungen der verschiedenen Augengewebe, Austrocknungsstellen, Ansammlungen von Schleim, Rötungen sowie der Fettschicht des Tränenfilms. Es wird der Zustand der Augenlider beurteilt: Sind dort etwa Entzündungen, oder funktionieren die in den Lidern eingelagerten Drüsen nicht mehr richtig? Mit dem „Schirmer-Test“ kann der Arzt mithilfe eines Filterpapierstreifens die Produktionsmenge der Tränenflüssigkeit überprüfen. Steht am Ende der Untersuchung die Diagnose „Trockenes Auge“ fest, hat der Augenarzt jetzt verschiedene Therapieoptionen.

Schulmedizinisch wird in den meisten Fällen künstliche Tränenflüssigkeit als Augentropfen zur Benetzung der Augenoberfläche verordnet. Dabei muss der Behandler unterscheiden, welche Schicht des Tränenfilms behandelt werden soll, denn hiervon hängt die Wahl des Mittels ab. Werden Entzündungsfaktoren in der Tränenflüssigkeit oder an der Bindehaut gefunden, liegt ein Hauptaugenmerk auf der Behandlung dieser Entzündung. Dafür wird häufig Kortison eingesetzt, oder bei Allergien Antihistaminika. Liegen schwere Grunderkrankungen wie das Sjögren-Syndrom (rheumatische Erkrankung mit trockenen Schleimhäuten) vor, muss der Augenarzt mit dem Rheumatologen zusammenarbeiten. Hier werden Immunsuppressiva verschrieben.

Wird zu wenig Tränenflüssigkeit produziert, besteht die Möglichkeit, die Produktion mit Pilocarpin oder Cevimeline medikamentös anzuregen. Allerdings bekämpft man damit nur das Symptom, aber nicht die Ursache, und es tritt ein Gewöhnungseffekt ein.

Alternativ dazu kann versucht werden, die Verweildauer der Tränenflüssigkeit im Auge zu erhöhen, indem mit kleinen Stöpseln die Tränenpünktchen verschlossen werden (Punctum-Plugs). Zusätzlich stehen noch einige weitere operative Verfahren zur Verfügung, um die Beschwerden zu lindern. Da Operationen jedoch Risiken bergen, ist es für Patienten sinnvoll, alternative Therapien begleitend zur schulmedizinischen Behandlung zu erproben. Dabei haben sich verschiedene Methoden bewährt, die im Folgenden besprochen werden.

 

Schulmedizinische Therapie naturheilkundlich unterstützen 

Die indische Medizin setzt bei trockenen Augen ein traditionelles Naturheilmittel – Ghee (gesprochen „Gi“) – erfolgreich ein. Ghee ist eine fettig-ölige Substanz, die aus Butter gewonnen wird. An der Universität Graz wurde die Wirksamkeit der Ghee-Therapie beim Sicca-Syndrom wissenschaftlich bewiesen. Sie können dabei wie folgt vorgehen: Besorgen Sie sich in der Apotheke eine Augenbadewanne und füllen Sie Ghee (z. B. aus dem Naturkosthandel) in dieses Behältnis ein. Es gibt in Apotheken auch vorgefertigte ayurvedische Ghee-Augenbäder, die Sie dazu benutzen können. Das Ghee muss dafür auf circa 33 Grad erwärmt werden. Anschließend setzen Sie das Behältnis am Auge an und lassen die Flüssigkeit etwa 10 Minuten auf das geöffnete Auge einwirken. Gebrauchtes Ghee danach entsorgen. Diese Eigentherapie können Sie ein- bis zweimal wöchentlich zu Hause selbst durchführen. Studienteilnehmer aus Graz berichteten im Durchschnitt nach der dritten Behandlung bereits von einer wesentlichen Verbesserung der Beschwerden. Dieses Verfahren ist meines Erachtens als erste Maßnahme geeignet, um die Beschwerden zügig zu lindern. Da jedoch die Ursache der trockenen Augen damit nicht behandelt wird, sollten zusätzlich andere Therapieverfahren gewählt werden, um den Körper wieder in Balance zu bringen.

Bei stark tränenden Augen hat sich oftmals ein Tee aus Schafgarbe bewährt: Man gießt einen gehäuften Teelöffel mit ¼ Liter kochendem Wasser auf; lässt ihn drei Minuten ziehen und trinkt ihn langsam – jeden Schluck gut durchkauen! – über den Tag verteilt. Solange bis sich die Augen bessern. Spätestens nach sechs Wochen sollte man eine Pause einlegen. Auch Kamillenumschläge eignen sich beim trockenen Auge. Dazu wird ¼ Liter Milch gekocht und anschließend über einen gehäuften Esslöffel Kamillenblüten gegossen. Kurz ziehen lassen, abseihen und als Umschläge auf die geschlossenen Augenlider legen. Die Augen unbedingt geschlossen halten, denn Kamille kann in Einzelfällen Reizungen hervorrufen!

Liegen chronische Bindehautentzündungen vor, wird empfohlen, täglich für eine Dauer von maximal 6 Wochen eine Tasse Augentrost-Tee (Euphrasia) zu trinken. Ein gehäufter Teelöffel auf ¼ Liter Wasser reicht aus. Zusätzlich kann man Euphrasia auch lokal anwenden – in Form von Augentropfen aus der Apotheke.

 

Euphrasia, Ruta, Alumina … das richtige Mittel heilt 

Im homöopathischen Repertorium werden unzählige Mittel beim trockenen Auge aufgelistet. Für die Selbstbehandlung sollte man eine D6-Potenz wählen und dreimal täglich eine Tablette unter der Zunge zergehen lassen. Hilft dies nicht weiter, kann ein klassischer Homöopath auf Grundlage der begleitenden Symptome das passende Mittel (Simillimum) finden. In vielen Fällen haben sich die folgenden Mittel bewährt:

Euphrasia hilft bei geröteten, brennenden Augen. Diese können anfangs trocken sein und später stark tränen. Abends verschlechtert sich häufig das Beschwerdebild. Sehr bewährt bei chronischer Bindehautentzündung.

Bei Überanstrengung der Augen, aber auch nach Verletzungen, z. B. nach einer Augenoperation oder einem Stoß, kann man es mit Ruta versuchen. Zu den Symptomen zählen Hitze und Brennen in den Augen, unscharfes Sehen sowie Kopfschmerz beim Lesen. Kälte verschlimmert die Symptome. Bei sehr trockenem Auge und fehlender Tränenflüssigkeit, ist jedoch auch ein Versuch mit Alumina sinnvoll.

Sind die Augen ständig wässrig, eventuell auch gerötet und liegen zusätzlich Hormonumstellungen oder Stimmungsschwankungen vor, ist dies ein Hinweis auf Pulsatilla. Nach starker Sonnenbestrahlung oder Hitzeeinwirkung sowie bei starker Zugluft ist Belladonna das Mittel der Wahl. Bei allergischen Reaktionen sollte man auch an Apis denken.

Auch Schüßler-Mineralien haben sich beim trockenen Auge bewährt. Der Betroffene sollte folgende Schüßler-Salze einnehmen:
► Nr. 3, Ferrum phosphoricum D12, um Entzündungen im Augenbereich (Bindehaut und Augenlid) zu bekämpfen.
► Nr. 8, Natrium chloratum D6, da für den Tränenfilm dieser Mineralstoff notwendig ist.
► Nr. 11, Silicea D12 bei gleichzeitiger Lichtempfindlichkeit;
► Nr. 12, Calcium sulfuricum D6 zum Aufbau der Schleimhäute.

Es werden für maximal 7 Tage dreimal täglich 3 bis 5 Tabletten eingenommen, am besten von jedem der genannten Salze. Anschließend wird die Dosis reduziert auf zweimal täglich für maximal 4 Wochen, falls eine Besserung eintritt. Wenn es damit noch besser zu werden scheint, machen Sie zwei Tage Pause, und nehmen die Mittel dann weitere 4 Wochen zweimal täglich.

Bei besonders starken Beschwerden kann Schüßler-Salz Nr. 8, Natrium chloratum, sogar noch häufiger, z. B. alle fünf Minuten eine Tablette, eingenommen werden, bis Besserung eintritt.

 

Schüßler-Salze vertrieben Entzündung 

Zum Schluss noch zwei Beispiele aus der Praxis: Ein 36-jähriger Mann leidet seit drei Monaten an trockenen Augen. In der Folge kommt es zu einer chronischen Bindehautentzündung. Die zusätzlich entzündeten Augenlider stören die Zusammensetzung der Tränenflüssigkeit. Vom Arzt wurde bisher erfolglos Kortison eingesetzt. Der Patient benetzt seine Augen mehrmals täglich mit künstlicher Tränenflüssigkeit. Er leidet unter starken Augenschmerzen. Morgens graut es ihm davor, die Augen zu öffnen, da verklebte Augenlider dabei zu massiven Schmerzen führen. Die Beschwerden sind so stark, dass der Patient zwischenzeitlich mehrfach im akuten Stadium krankgeschrieben wurde.

Es werden komplexhomöopathische Medikamente gegen die Augenlidentzündung und die inzwischen chronische Konjunktivitis eingesetzt (Regenaplex 76a, 77 a und 117 aN). Zusätzlich nimmt der Patient stündlich fünf Tabletten Natrium chloratum D6 ein und dreimal täglich fünf Tabletten Ferrum phosphoricum D12. Bereits nach wenigen Tagen haben sich die Beschwerden spürbar verbessert. Nach zwei Wochen treten die Beschwerden kaum mehr auf. Nur bei Zugluft gibt es noch leichte Probleme, die nach Aussagen des Patienten aber kein Vergleich mehr zu den vorangegangenen Qualen sind. Nach weiteren vier Wochen ist der Patient beschwerdefrei.

 

Beißende Augentränen verschwanden mit Arsenium 

Bei meiner eigenen Tochter hatte ich Gelegenheit, die schlagartig eintretende Wirkung des passenden homöopathischen Mittels zu erleben. Im Alter von 6 Jahren litt meine Tochter einige Monate lang täglich mehrfach unter spontan tränenden Augen. Da dieses Tränen immer wieder nach etwa einer halben Stunde aufhörte, beachteten wir es nicht weiter. Eines Abends klagte sie unter extrem brennenden, beißenden Augentränen (trockene Augen mit entzündlicher Bindehaut). Die Symptomatik ließ an Arsenicum album denken. Eine sofort verabreichte Gabe in der Potenz C200, 5 Globuli, ließ spontan innerhalb weniger Sekunden das brennende Gefühl verschwinden. Seit diesem Tag haben die Augen nicht mehr getränt. Das Symptom ist vollständig auskuriert.

Jeder Patient kann die erwähnten Methoden parallel zur schulmedizinischen Behandlung anwenden. Da sie kein Risiko bergen, kann der Betroffene nur gewinnen.

 

Autor: 
Andreas Nieswandt,  Jahrgang 1964, studierte Bauingenieurwesen und absolvierte eine 3-jährige Heilpraktikerausbildung. Danach tätig in einer auf Augenerkrankungen spezialisierten Heilpraktiker-Praxis. 2004 eröffnete er eine eigene Naturheilpraxis mit Spezialisierung auf Augenerkrankungen. Autor der Bücher „Heile Deine Augen“ und „Makuladegeneration/ Diabetische Retinopathie“.

Entnommen aus dem „Naturarzt“ Juli 2012

 

Faktoren, die den Tränenfilm stören können 

Zu den bekannten und nachgewiesenen Ursachen für eine Störung des Tränenfilms zählen:

► Das Alter, da dann viele Flüssigkeitsprozesse im Körper verlangsamt ablaufen.
► Ein Mangel an männlichen Sexualhormonen, weshalb Frauen häufiger an trockenen Augen leiden als Männer.
► Medikamente wie Beta-Blocker (Blutdrucksenker), Diuretika (Entwässerungstabletten), Neuroleptika (gegen psychische Erkrankungen), Antibabypille, Antidepressiva, Augentropfen gegen Glaukom, Antihistaminika (gegen Allergien) etc.
► Kontaktlinsen,
► Oberflächenschädigung durch Lasereingriffe an der Hornhaut,
► Erkrankungen wie Diabetes, Lupus, Autoimmunerkrankungen, Entzündungen der Tränendrüsen, Parkinson, Herpes, Vitamin-A-Mangel,
► Verletzungen,
► Klimaanlagen,
► Bildschirmarbeit,
► trockene Räume, speziell im Winter,
► Störungen des Tränenabflusses, z. B. durch Verengungen der Tränenkanäle,
► Stress,
► UV-Strahlen,
► hohe Ozon-Konzentrationen,
► Feinstaub, Pollen, Autoabgase, Umweltgifte,
► Zigarettenrauch.

Gerade die letztgenannten Faktoren führen zu oxidativem Stress, der zum trockenen Auge beiträgt.
Bildschirmarbeit fördert die Trockenheit des Auges.