Leberwerte verstehen: Wichtige Blutwerte und ihre Bedeutung für die Gesundheit
Bestimmt wurden bei Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, schon einmal Blutwerte untersucht. Sie konnten jedoch damit nicht viel anfangen, da Ihnen weder bekannt war, was sich hinter diesen Werten verbirgt beziehungsweise worauf Abweichungen der Parameter hindeuten. Mit diesem Artikel wollen wir Ihnen Informationen zu gängigen Leberparametern geben. Wir möchten dies in der Zukunft auch für andere Organe tun – denn nur die informierte Patientin, der informierte Patient können Partner des Therapeuten sein. „Der Naturarzt“ möchte aktiv hierzu beitragen.
Gamma-GT
Normalwert: Männer bis 28 U/l (englisch „units per liter“ = Einheiten pro Liter), Frauen bis 20 U/l.
Vor dem Hintergrund der Kostendämpfung im Gesundheitswesen wird Ihr Hausarzt im Rahmen routinemäßiger Blutuntersuchungen unter Umständen nur noch einen einzigen Leberblutwert untersuchen, die Gamma-GT (Gammaglutamyltransferase, abgekürzt GGT). Er ist der „allgemeinste“ Leberwert, der häufig am raschesten Steigerungstendenzen bei Leberbelastungen aufzeigt. Der Wert ist typischerweise erhöht bei Überlastung der Leber mit Alkohol beziehungsweise Zufuhr bestimmter Medikamente (zum Beispiel Antiepileptika, zahlreiche Bluthochdruckmittel).
Da der Wert unspezifisch ist, steigt er bei zahlreichen Erkrankungen. Besonders starke Anstiege der GGT sprechen für eine Leberstauung. Um nähere Differenzierungen zu ermöglichen, sind weitere Leberparameter in vielen Fällen erforderlich.
Transaminasen
Normalwert: GOT bis 18 U/l, GPT bis 22 U/l.
Eine Erhöhung der Transaminasen kann auf folgende Erkrankungen hindeuten: Lebererkrankungen wie zum Beispiel akute Hepatitis (entzündliche Gelbsucht), chronische Gelbsucht, begleitende Leberentzündungen (zum Beispiel im Rahmen eines Virusinfektes), Leberzirrhose (bindegewebige Degeneration der Leber), Gallenstauung, Lebervergiftung, Leberstauung (zum Beispiel durch eine Herzschwäche), Leberabszess oder Lebertumor beziehungsweise Lebermetastasen.
Ist die GOT deutlich höher als die GPT, kann dies auf einen Herzinfarkt hindeuten.
Bilirubin
Normalwert: bis 1,0 mg% (Milligrammprozent).
Es handelt sich um ein Abbauprodukt des roten Blutfarbstoffes Hämoglobin. Dieses wird in der Leber konjugiert (enzymatisch umgesetzt) und über das Gallensystem ausgeschieden.
Das üblicherweise bei Blutuntersuchungen gemessene Gesamtbilirubin kann, wo nötig, differenziert werden in indirektes Bilirubin und direktes Bilirubin. Ersteres hängt unmittelbar mit dem Abbau des roten Blutfarbstoffes zusammen. Sein Anstieg deutet auf Störungen des Blutabbaus hin und auf Überlastungen der diesbezüglichen Leberfunktion.
Das direkte Bilirubin korreliert vor allem mit der Gallenausscheidung. Steigt es deutlich an, deutet dies in der Regel auf Verschlüsse im Bereich der Gallenwege hin.
Typische Ursachen für Bilirubinanstieg: Hepatitis (Leberentzündung), Leberzirrhose, Lebervergiftung, zum Beispiel durch Medikamente, Alkohol, Schwäche der rechten Herzkammer mit folgender Leberstauung, Gallengangsverschluß, Metastasenleber. Bei den genannten Formen der Bilirubinerhöhung ist vor allem das direkte Bilirubin erhöht.
Indirektes Bilirubin findet sich vor allem erhöht bei: hämolytischer Anämie (verstärkter Blutzerfall), verschiedenen sonstigen Bluterkrankungen, chronischen Lebererkrankungen.
Vor allem bei jüngeren Menschen beobachtet man häufiger ein Syndrom mit der Bezeichnung Morbus Meulengracht. Es handelt sich dabei um eine leichte Erhöhung des Bilirubinwertes (betroffen ist vor allem das indirekte Bilirubin), ohne dass sich Auffälligkeiten anderer Leberwerte ergeben. Auch Leberpunktionen sind unauffällig. Die Patienten sind in Ihrem Befinden nicht nachhaltig beeinträchtigt. Meistens handelt es sich um schlanke, eher aktive Menschen, die dieses Meulengracht-Syndrom aufweisen.
Eine spezifische Therapie ist aus wissenschaftlicher Sicht nicht erforderlich. Naturheilkundlich würde man jedoch dazu raten, die Leber durch ein Übermaß an Alkohol und so weiter nicht unnötig zu belasten.
Cholinesterase
Normalwert: 1900 bis 3800 U/l.
Dieser Wert wird im Rahmen von routinemäßigen Blutbildern nur selten bestimmt. Wichtig ist er vor allem, wenn es um die Aufdeckung chronischer Leberbelastungen geht. Es handelt sich um ein Enzym, das vor allem bei fortgeschrittenen Lebererkrankungen nicht mehr ausreichend synthetisiert werden kann.
Erniedrigte Werte deuten auf folgende Erkrankungen hin: fortgeschrittene Leberentzündung (zum Beispiel Hepatitis B, Hepatitis C), Leberzirrhose (beachten Sie: schwere Lebererkrankungen – zum Beispiel die Leberzirrhose – können auch zu einem Abfall der Blutgerinnungsfaktoren führen; dies stellt ein prognostisch ungünstiges Zeichen dar), schwere Stauungsleber (bei Rechtsherzschwäche), Zytostatikabelastung, lnsektizidvergiftungen, Ovulationshemmer, chronische Infekte und Tumore, bestimmte seltene Muskelerkrankungen.
Erhöhte Werte der Cholinesterase finden sich bei: Fettleber, bestimmten Formen von Nierenerkrankungen.
Eiweiß
Normalwert: 6,6 bis 8,7 g/dl (Gramm pro Deziliter).
Die Höhe des Eiweißspiegels im Blut ist abhängig von den Faktoren Ernährung, Synthese der Eiweiße – vor allem in der Leber – sowie dem Eiweißverlust über die Nieren beziehungsweise den Darm.
Die Bestimmung des Gesamteiweißes beziehungsweise die Auftrennung der einzelnen Unterfraktionen kann wertvolle Hinweise auf chronische oder akute Erkrankungen liefern. Diese Auftrennung heißt Elektrophorese.
Erniedrigtes Gesamteiweiß findet sich vor allem bei: ungenügender Eiweiß-Zufuhr und chronischer Unterernährung, Anorexie, Ernährung über Infusion (im Krankenhaus), gestörte Eiweißresorption aus dem Verdauungstrakt, fortgeschrittene Leberzirrhose, chronische Nierenerkrankung mit erhöhter Durchlässigkeit des Nierengewebes, Colitis ulcerosa, schwere ausgedehnte Hauterkrankungen, wie zum Beispiel Ekzeme, Verbrennungen, Blutverlust, Tumorerkrankungen, schwere, anhaltende Infekte, schwere Schilddrüsenerkrankungen.
Erhöhte Werte finden sich vor allem bei: „bösartigen“ Erkrankungen wie zum Beispiel dem Plasmozytom, einer Knochenmarkserkrankung.
Von Seiten der Eiweißunterfraktionen unterscheiden wir die
Albumine
Erniedrigt bei schweren Lebererkrankungen, Eiweißverlust über Darm oder Niere, relativ erhöht bei Austrocknung, mangelhafter Synthese von Globulineiweißen.
Alpha-1- und Alpha-2-Globuline
Erniedrigt bei chronischen Lebererkrankungen, erhöht bei akuten und entzündlichen Prozessen, zum Beispiel auch bei rheumatischem Fieber, Herzinfarkt, Tumoren, nephrotischem Syndrom (schwere chronische Nierenerkrankung).
Beta-Globuline
Erniedrigt bei chronischen Lebererkrankungen, Antikörpermangel, erhöht bei Knochenmarkserkrankungen, Nierenerkrankungen, Eisenmangel, Tumoren.
Gamma-Globuline
Erniedrigt bei Antikörpermangel, verschiedenen Lymphkrebsen, vermehrtem lmrnunglobulinverlust, zum Beispiel bei Nierenerkrankungen oder Darmerkrankungen.
Die Hauptaufgaben der Leber
– Gallenproduktion,
– Kohlenhydrat-Speicherung,
– Ketonkörper-Bildung (können unter bestimmten Bedingungen als Energiequelle dienen),
– wichtige Umsetzungen im Fettstoffwechsel,
– Umsetzung und Verstoffwechselung von Nebennieren- und Keimdrüsenhormonen,
– Herstellung der Blutgerinnungsfaktoren,
– Synthese von Plasmaproteinen,
– Herstellung der Immunglobuline,
– Harnstoff-Bildung,
– Entgiftung von Medikamenten und Toxinen, Alkohol.
Erhöht bei Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises, einschließlich sogenannter Kollagenosen wie Lupus erythematodes, Tumoren, Morbus Boeck (durch die Krätzmilbe hervorgerufene Hautkrankheit mit schweren borkigen Hautveränderungen), Erweiterung der Bronchien (Bronchiektasen), Leberzirrhose und verschiedenen Knochenmarkserkrankungen.
Alkalische Phosphatase (AP)
Normalwert: 30 bis 115 U/l.
Die Höhe des Serumspiegels hängt von der Enzymproduktion, vor allem in den knochenaufbauenden Zellen, den Osteoblasten, und der Enzymausscheidung über Leber und Galle ab.
Die alkalische Phosphatase erlaubt Aussagen über die Leber-Gallen-Funktion und den Knochenstoffwechsel. Bei unklaren Befunden ist es mit Hilfe der alkalischen Phosphatase allein nicht möglich, zwischen einer knochenbedingten und einer leberbedingten Störung zu unterscheiden. Hier ist dann die Bestimmung weiterer Hilfsenzyme erforderlich, insbesondere der LAP (Leucin-Amino-Peptidase). Ist sie neben der AP erhöht, spricht dies für eine gallenbedingte Störung.
Ansonsten gilt für die alkalische Phosphatase: erniedrigt bei Schilddrüsenunterfunktion, Vitamin-C-Mangel, erhöht bei (knochenbedingt) Überfunktion der Nebenschilddrüse, Rachitis (Knochenerweichung), Morbus Paget (Knochenkrankheit mit Störungen bei der Bildung und beim Abbau von Knochen), Knochentumoren, Morbus Boeck und Medikamenteneinnahme (zum Beispiel bei antiepileptischer Therapie).
Außerdem erhöhte Stauungen der Gallengänge (leberbedingt) und bei Nierentumoren (tumorbedingt). Erhöht bei Nierentumoren (tumorbedingt).
Autor
Dr. Rainer Matejka
Entnommen aus dem „Naturarzt“ April 1997
Weiterführende Literatur:
Ganong, W.: Lehrbuch der medizinischen Physiologie
Müller, F; Seifert, 0.: Taschenbuch der medizinisch-klinischen Diagnostik
Siegenthaler, W.: Differentialdiagnose innerer Erkrankungen