Information über Medizinisches Cannabis: Chancen und Risiken, Einsatz in der Schulmedizin und Naturheilkunde

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von Thorsten Klein, Zertifizierter Fachberater für medizinisches Cannabis

Medizinisches Cannabis hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Die Diskussion um die therapeutischen Nutzen und Risiken dieser Pflanze wird sowohl in der Schulmedizin als auch in der Naturheilkunde intensiv geführt.

Geschichte und rechtlicher Rahmen
Cannabis wird seit Jahrtausenden als Heilmittel verwendet. Die Pflanze war in vielen Kulturen Bestandteil der traditionellen Medizin. In der modernen westlichen Welt wurde Cannabis jedoch lange Zeit vor allem als Rauschmittel wahrgenommen und kriminalisiert. Erst in den letzten Jahrzehnten hat sich das Bild geändert, was zur Legalisierung von medizinischem Cannabis in vielen Ländern geführt hat. In Deutschland ist Cannabis als Medizin seit 2017 legal. Patienten mit schwerwiegenden Erkrankungen können es auf ärztliche Verschreibung erhalten. Die rechtlichen Rahmenbedingungen im Hinblick auf den Zugang zu medizinischem Cannabis haben sich durch die Legalisierung in Deutschland nun auch für die Patienten und verschreibenden Ärzte deutlich verbessert.

CHANCEN DES MEDIZINISCHEN CANNABIS 
Schmerztherapie
Einer der am häufigsten untersuchten Einsatzbereiche von medizinischem Cannabis ist die Schmerztherapie. Cannabinoide, die Wirkstoffe der Cannabispflanze, wirken auf das Endocannabinoid-System des menschlichen Körpers, das an der Schmerzregulierung beteiligt ist. Studien haben gezeigt, dass Cannabis bei chronischen Schmerzen, neuropathischen Schmerzen und Schmerzen bei Krebspatienten wirksam sein kann. Es kann eine Alternative zu Opioiden darstellen, die oft mit erheblichen Nebenwirkungen und einem hohen Suchtpotenzial verbunden sind.

Neurologische Erkrankungen
Medizinisches Cannabis hat auch bei verschiedenen neurologischen Erkrankungen Potenzial gezeigt. Beispielsweise können Patienten mit Multiple Sklerose (MS) von der krampflösenden und schmerzlindernden Wirkung der Cannabinoide profitieren. Auch bei Epilepsie, insbesondere bei Formen, die auf konventionelle Medikamente nicht ansprechen, wurden positive Effekte beobachtet. Ein bekanntes Beispiel ist das Cannabidiol (CBD), das in einigen Fällen die Häufigkeit und Schwere von epileptischen Anfällen reduzieren kann.

Psychische Erkrankungen
Cannabis wird ebenfalls bei psychischen Erkrankungen wie Angststörungen und posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) eingesetzt. Hier kann es helfen, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Allerdings ist der Einsatz von Cannabis bei psychischen Erkrankungen umstritten, da es bei bestimmten Personen das Risiko für psychotische Episoden erhöhen kann.

Onkologie
In der Onkologie wird Cannabis zur Linderung von Nebenwirkungen der Chemotherapie wie Übelkeit und Erbrechen eingesetzt. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass Cannabinoide das Tumorwachstum hemmen und die Apoptose (programmierter Zelltod) von Krebszellen fördern können. Diese Wirkungen sind jedoch noch nicht ausreichend erforscht, um eine klare Empfehlung für die onkologische Therapie abzugeben.

Risiken und Nebenwirkungen
Trotz der zahlreichen Chancen gibt es auch Risiken und Nebenwirkungen, die beim Einsatz von medizinischem Cannabis berücksichtigt werden müssen.

Psychische Auswirkungen
Einige Patienten können auf Cannabis mit psychischen Nebenwirkungen reagieren. Diese reichen von leichteren Symptomen wie Angst und Paranoia bis hin zu schwerwiegenden psychotischen Zuständen. Besonders gefährdet sind Personen mit einer familiären Vorbelastung für psychische Erkrankungen. Bei solchen Patienten sollte der Einsatz von Cannabis mit besonderer Vorsicht erfolgen.

Abhängigkeitspotenzial
Obwohl Cannabis als weniger suchterzeugend gilt als andere Substanzen wie Alkohol oder Opioide, besteht dennoch ein gewisses Abhängigkeitspotenzial. Eine Langzeitanwendung kann zu einer psychischen Abhängigkeit führen, und bei abruptem Absetzen können Entzugserscheinungen auftreten wie z.B. Schlafstörungen.

Physische Nebenwirkungen
Physische Nebenwirkungen von Cannabis können Schwindel, Mundtrockenheit, Herzrasen und Blutdruckabfall umfassen. Diese Symptome sind meist vorübergehend und verschwinden nach Anpassung der Dosis oder Absetzen des Medikaments. Bei inhalativem Konsum sind zudem die Risiken für Atemwegserkrankungen zu berücksichtigen, ähnlich wie beim Rauchen von Tabak.

EINSATZ IN DER SCHULMEDIZIN
Zulassungsverfahren und Verordnungsfähigkeit
In der Schulmedizin unterliegen Cannabis-basierte Medikamente strengen Zulassungsverfahren. In Deutschland sind bisher nur wenige Präparate wie Dronabinol und Nabilon zugelassen. Ärzte können Cannabisblüten oder -extrakte verordnen, wenn keine anderen  Therapieoptionen verfügbar sind oder diese nicht ausreichend wirksam sind. Cannabis-Blüten stellen die am meisten verschriebenen
Cannabis-Medikamente dar.

Evidenzbasierte Anwendung
Der Einsatz von medizinischem Cannabis in der Schulmedizin basiert auf wissenschaftlicher Evidenz. Studien und klinische Daten sind entscheidend für die Empfehlung und Verschreibung. Derzeit gibt es eine wachsende Anzahl an Studien, die die Wirksamkeit von Cannabis bei verschiedenen Indikationen untersuchen. Dennoch ist weiterer Forschungsbedarf vorhanden, insbesondere um die Langzeitwirkungen und das vollständige Wirkungsspektrum besser zu verstehen. Die Komplexität der Cannabis-Pflanze zeigt sich auch in der unglaublichen Vielfalt Ihrer Inhaltsstoffe von bisher identifizierten 113 Cannabinoiden, wie auch Terpenen und Flavonoiden.

Herausforderungen in der Praxis
Eine der größten Herausforderungen in der Praxis ist die Dosierung und individuelle Anpassung der Therapie. Die Wirkung von Cannabis kann stark variieren, abhängig von der Sorte, dem Gehalt an THC und CBD und den vielen weiteren, teils noch unerforschten Cannabinoiden, sowie der individuellen Reaktion des Patienten. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Arzt und Patient sowie eine sorgfältige Überwachung der Therapie.

EINSATZ IN DER NATURHEILKUNDE
Traditionelle Anwendungen
In der Naturheilkunde wird Cannabis seit jeher verwendet. In vielen traditionellen Heilmethoden, insbesondere in der chinesischen und indischen Medizin, hat Cannabis einen festen Platz. Hier wird es in verschiedenen Formen, wie Tees, Tinkturen oder Salben, eingesetzt, um eine Vielzahl von Beschwerden zu behandeln.

Ganzheitlicher Ansatz
Die Naturheilkunde betrachtet den Menschen als Ganzes und strebt danach, Körper, Geist und Seele in Einklang zu bringen. Cannabis wird in diesem Kontext nicht nur als Symptomlinderer, sondern auch als Mittel zur Förderung des allgemeinen Wohlbefindens eingesetzt. Es kann helfen, das innere Gleichgewicht wiederherzustellen und die Selbstheilungskräfte des Körpers zu aktivieren.

Prävention und Gesundheitsförderung
In der Naturheilkunde wird Cannabis auch präventiv eingesetzt, um die Gesundheit zu fördern und Krankheiten vorzubeugen. Dies umfasst die Verwendung von Hanfprodukten, die reich an Nährstoffen und Antioxidantien sind und die beruhigende und entzündungshemmende Eigenschaften haben. Solche Anwendungen können helfen, Stress zu reduzieren, das Immunsystem zu stärken und das allgemeine
Wohlbefinden zu verbessern.