Die Welt scheint verrückt und ich bleibe trotzdem in meiner Mitte

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Wie man in herausfordernden Zeiten die Psyche gesund hält. Tipps und Übungen

von Tina Wahren; Foto: creativ collection

Die Corona-Pandemie mit ihren wachsenden Ansteckungszahlen, aber auch die Maßnahmen zur Eindämmung und die damit verbundenen Einschränkungen lösen bei vielen Menschen Sorgen, Verunsicherung und Ängste aus. In diesen Zeiten ist es nicht leicht, immer bei sich zu bleiben und bewusst aus dem Herzen heraus zu handeln. Es gibt sogar Menschen, die so sehr aus dem Gleichgewicht gekommen sind, dass sich erste psychische oder körperliche Krankheitssymptome zeigen.

Lassen Sie sich in diesem Artikel daran erinnern, was dabei hilft, in Kontakt mit den eigenen Bedürfnissen zu bleiben und trotz herausfordernder Zeiten die Psyche gesund zu halten.

Egal, welche Gefühle Sie momentan spüren und belasten – Angst, Wut, Traurigkeit, Hilflosigkeit oder anderes – setzen Sie sich damit auseinander. Schenken Sie dem Gefühl in Ihnen Aufmerksamkeit, anstatt es wegschieben zu wollen. Sehen Sie es für einen Augenblick als Geschenk an und beginnen es achtsam auszupacken. Wie machen Sie das?

Reflektieren Sie die folgenden Fragen an einem ruhigen Ort und schreiben die Antworten auf.

  1. Was ist das vorherrschende Gefühl in mir, das mich nicht mehr loslässt? Angenommen, es ist Angst.
  2. Wovor habe ich Angst? Was lässt mich vor Angst erstarren?
  3. Was steckt hinter der Angst? Welche Fesseln will ich sprengen?
  4. Was hat dieses Thema mit mir zu tun? Was sagt es über mich aus?
  5. Was brauche ich am meisten, um jetzt gut für mich zu sorgen?
  6. Was unternehme ich innerhalb der nächsten drei Tage, um den Aspekt aus 5. in mein Leben zu integrieren?

Hinter jedem Gefühl steckt eine wichtige Botschaft, ein Geschenk, das ausgepackt werden möchte. Seien Sie offen für die Botschaft, nehmen Sie sie ernst und handeln dementsprechend.

Positive Glaubenssätze verankern

Ein weiterer wichtiger Aspekt, der beleuchtet werden darf, sind unsere Gedanken. Besonders in herausfordernden Zeiten beginnen die Gedanken eine Art Eigenleben zu entwickeln. Es laufen Dialoge im Kopf ab, die uns eher schaden als unterstützen. Oft hören wir die Stimmen der Eltern, die typische Leitsätze aus unserer Kindheit wiedergeben. Das können Sätze sein wie „Streng Dich mehr an“, „Das Leben ist kein Ponyhof“ oder „Du bist einfach nicht gut genug“ Empfinden Sie diese Sätze als förderlich oder schwächend? Unabhängig davon, ob Ihnen dieser innere Prozess bewusst ist – er wirkt sehr verlässlich. Und er sorgt dafür, dass Sie sich immer weiter von Ihrem Herzen entfernen. Vielleicht bestrafen Sie sich sogar dadurch zusätzlich in Zeiten, in denen Sie besonders liebevoll mit sich umgehen sollten.

Was hilft Ihnen, diese Leitsätze zu entlarven und umzukehren? Beantworten Sie die folgenden Fragen schriftlich.

  1. Was denke ich über mich und das Leben? Was sind typische Dialoge in meinem Kopf, wenn ich Stress erlebe, Misserfolg spüre oder Ablehnung erfahre?
  2. Wie geht es mir mit diesen Sätzen? Was bewirken sie?
  3. Was will ich stattdessen über mich und das Leben denken? Welche Gedanken, welche Sätze stärken mich? Wichtig dabei ist, dass Sie positiv formulieren, in der Gegenwart bleiben und keine Negationen verwenden. Ein Beispiel: „Ich bin es wert, ein glückliches Leben zu führen.“
  4. Sprechen Sie diesen Satz bzw. diese Sätze ab sofort bewusst jeden Tag zehn Mal morgens und abends aus. Das wiederholen Sie täglich für mindestens 21 Tage.

Unser Gehirn beginnt nach 21 Tagen „Training“ Gedanken und neue Routinen aus dem Kurzzeitgedächtnis in das Langzeitgedächtnis zu übermitteln. Erst dann haben Sie die Chance, eine neue wohltuende Verhaltensweise in Ihr Leben nachhaltig zu integrieren. Im Idealfall handeln Sie nun schon anders als vor den 21 Tagen. Um sich selbst weiterhin Gutes zu tun, beobachten Sie sich: Wie gehen Sie jetzt mit stressigen Situationen um? Wie sprechen Sie mit und über sich? Was brauchen Sie zusätzlich, um achtsam und liebevoll mit sich umzugehen?

Konzentrieren Sie sich auf Ihre Werte und Wünsche

Insgesamt ist es für unser seelisches Wohlbefinden bedeutend, womit wir unsere Gedanken permanent speisen und worüber wir nachdenken und sprechen. Es passiert schnell, dass wir unbewusst über alles sprechen, was uns stört, aufregt oder Angst macht. Damit ziehen wir genau das in unser Leben, was wir nicht haben wollen. Womit unterbrechen wir diesen Algorithmus? Lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit auf das, was Sie in Ihrem Leben erleben wollen. Fragen Sie sich: „Was stärkt mich? Welche Werte will ich leben? Welches Miteinander empfinde ich als wohltuend? Was braucht unsere Welt? Was tut mir gut?“ Sprechen Sie ab sofort fokussiert über die Dinge, die verbinden und stärken.

Offline-Zeiten in den Tag einbauen

Hand in Hand geht damit auch der Medien-Konsum. Wie oft am Tag konsumieren Sie Informationen? Wie informieren Sie sich? Und wie verarbeiten Sie all das, was Sie aufnehmen?

Pausenlos online, informiert und erreichbar zu sein, führt zu einer Reizüberflutung. Die Informationen, die die Kapazitäten unseres Gehirns übersteigen, fließen ungefiltert in unser Unterbewusstsein. Das bedeutet, dass unser Unterbewusstsein permanent damit beschäftigt ist, ein Gleichgewicht zwischen unserer Seele und angsterzeugenden und negativen Informationen und Bildern herzustellen. Wir merken, dass ein Ungleichgewicht herrscht, wenn sich innere Unruhe, Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten, Gereiztheit, Angst oder Erschöpfung zeigen.

Eine Lösung ist, bewusst Ruhepausen in den Tag einzubauen und wahrhaftig abzuschalten. Das heißt: Smartphone, Tablet, TV, Social Media, Spielekonsole – schalten Sie jede Ablenkung aus. Wie lange ist das mit einem guten Gefühl möglich? 15 Minuten, länger oder kürzer? Beobachten Sie, wie es Ihnen damit geht. Was passiert, wenn Sie nicht erreichbar sind? Wie können Sie diese Zeit achtsam mit sich verbringen? Steigern Sie die Häufigkeit der Pausen und kommunizieren Sie bewusst in Ihrem Umfeld, dass Sie sich diese Ich-Zeiten nehmen.

Dieser Artikel möchte Sie inspirieren, sich wieder an all die ausgleichenden Elemente in Ihrem Leben zu erinnern. Machen Sie sich bewusst, welche Kraft Sie in sich tragen. Gehen Sie achtsam mit sich und Ihren Bedürfnissen um – zu Ihrem Wohle und zum Wohle aller.

Tina Wahren ist Heilpraktikerin (Psychotherapie), Coach für Stressmanagement und Burnout-Prävention und Werte- und Ressourcenmanagerin, www.tina-wahren.de